Ein wunderbares Land und starke Menschen. Jahrelanger Bürgerkrieg, Gewalt gegen Frauen, das Ebola-Fieber und nun Covid-19: Die letzten Jahre und Jahrzehnte haben ihre Spuren in Sierra Leone hinterlassen. Forderte zunächst der Bürgerkrieg zahlreiche Todesopfer, brach 2014 das Ebola-Fieber aus und hinterließ 4.000 Tote, tausende Waisen und eine komplett eingebrochene Wirtschaft sowie kaum mögliche Eigenversorgung. Gleichzeitig ist und bleibt Gewalt gegen Frauen eines der schwerwiegendsten und traurigsten Themen Sierra Leones.

Hannah Bockarie ist die Gründerin von „commit and act“ in Bo, Sierra Leone. Ausgebildete Psychotherapeutin, Visionärin und eine unglaubliche Persönlichkeit. Gemeinsam mit ihrem Team betreut sie unsere und andere Projekte als unabhängige, lokale NGO (Non Profit Organisation) in Sierra Leone. Gemeinsam helfen sie Kindern und Frauen, über das Erlebte zu sprechen, ihr Trauma aufzuarbeiten und in die Zukunft zu blicken.

Aufgewachsen in einer von Krieg und Gewalt geprägten Umgebung, setzte Hannah es sich zum Ziel, all diejenigen zu unterstützen, die Ähnliches erlebt haben. 2010 kam sie erstmalig mit der sogenannten ACT Therapie (Akzeptanz- und Commitment Therapie) in Kontakt und war sich sicher, dass diese Art der Auseinandersetzung mit dem Erlebten nicht nur ihr, sondern auch anderen helfen könne. Sie arbeitete als Psychologin für Ärzte ohne Grenzen und übernahm während des Ebola-Ausbruchs die so dringend notwendige Präventionsarbeit, für die sie vom Staat Sierra Leones ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig wurde erneut deutlich, wie hoch die Gewalt gegen Frauen im Land wirklich ist und sie sah dringenden Handlungsbedarf.

Heute betreut sie unter anderem Shelter in Bo und Makeni, in Sierra Leone. Zufluchtsorte für junge Mädchen und Frauen, die meist sexuelle Gewalt erlebten. Hier haben die Mädchen ein Zuhause auf Zeit in einer sicheren Umgebung, psychologische Betreuung, medizinische Versorgung, regelmäßige Mahlzeiten und die Chance auf ein Leben “danach”. Auch werden ihre Fälle vor Gericht gebracht und von Sozialarbeiter*innen begleitet. Aktuell führen nur wenige zur Verurteilung, aber diese wenigen haben Strahlkraft und setzen ein Zeichen. Ein Zeichen für das Hannah manchmal teuer bezahlt: Nicht selten wird sie bedroht. Ihre beiden Kinder leben zwischenzeitlich bei ihrer Tante in den USA. Sie wollte sie in Sicherheit wissen und ihnen die bestmögliche Ausbildung zukommen lassen.

Oft wird Hannah zu internationalen Konferenzen eingeladen, um über ihre Arbeit zu berichten und arbeitet als Supervisorin, um mehr und mehr Menschen in Sierra Leone über die ACT Methode aufzuklären und sie anzuhalten, diese weiterzugeben. Sie glaubt an ihre Mission und wir glauben an sie.

Auf die Frage, was Hannah an ihrer Arbeit schätzt, erwidert sie lächelnd:
„Ich sehe ein Mädchen das verletzt zu uns kommt, weinend, gebrochen, voller Schmerz. Und nachdem wir mit diesem Mädchen ein paar Wochen oder Monate gearbeitet haben, geht sie gestärkt zurück zu der Gemeinschaft. Sie weiß, dass ihr Unrecht geschehen ist, dass sie ein Recht auf ihren Körper hat und nein sagen darf. Sie geht mit der Gewissheit, dass es jemanden gibt, der ihr zuhört, sie nicht verurteilt und sich für sie einsetzt. Ich möchte auch nicht nur die Mädchen, die in den Fluss gefallen sind, wieder rausfischen. Ich möchte, dass wir an den Anfang des Flusses laufen und schauen, warum sie überhaupt hineinfallen. Deshalb ist der Ansatz unserer Präventionsarbeit, zusätzlich zu unseren Sheltern, so wichtig. Ich liebe meine Arbeit sehr. Wir alle kämpfen täglich für Humanität.”

Gemeinsam mit Menschen wie Hannah teilen wir die große Hoffnung, Kindern in Sierra Leone ein Leben frei von Gewalt zu ermöglichen. Wir glauben an Gleichberechtigung und ein Leben ohne Angst.