Isatu ist 14 Jahre alt. Seit kurzem ist sie Mama. Durch sexuellen Missbrauch.

Der Täter: Ein Onkel, etwa 30 Jahre älter als Isatu. Ein gern gesehener Gast der Familie, ein Mitglied eben dieser. So, wie in 85% der Fälle von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch an minderjährigen Mädchen. Bekannte oder Verwandte, Menschen aus der nächsten Umgebung, werden zu Tätern. Er droht ihr. Würde sie etwas sagen, so macht er deutlich, würde ihr sowieso niemand Glauben schenken. Er droht ihr. Versorge er doch ihre Familie mit. Isatu schweigt. Lange.

Als der Bauch zu sehen ist, die Tat nicht mehr zu vertuschen, öffnet sie sich schließlich. Doch zuhause findet sie weder ein offenes Ohr, noch Hilfe. Die Schuldzuweisungen treffen das Opfer, der eigene Vater vertreibt sie aus dem Haus. Auch ihre Mutter, sonst immer für sie da, ist zu verängstigt, um sie zu unterstützen. Zu groß die Abhängigkeit zur Familie, zu groß die Sorge um ihre weiteren Kinder.

Allein, hilflos, verstoßen und gebrochen geht Isatu zur Polizei, die sie schließlich an uns verweist. Unser Fahrer Fayia holt das verängstigte Mädchen auf der Polizeistation ab und bringt sie ins Shelter. Mit gebrochener Stimme erzählt sie Fatmata, unserer Sozialarbeiterin, die ganze Geschichte. Vom Beginn des Missbrauchs, bis hin zum Verlassen der Familie.

Nachdem eine Akte über den “Fall Isatu” angelegt ist, fährt Fatmata mit ihr ins Krankenhaus, um sie untersuchen zu lassen und einen medizinischen Bericht zu erhalten. Dieser würde für den kommenden Gerichtsprozess notwendig sein. Zurück im Shelter, bekommt Isatu erst einmal frische Kleidung und alle notwendigen Hygieneartikel. Sie betritt das ihr zugewiesene Zimmer. Ein frisch bezogenes Bett, der erste sichere Platz seit einer gefühlten Ewigkeit. Ob ihr das zu diesem Zeitpunkt bewusst ist, wissen wir nicht. Zu verängstigt und bedrückt, verliert das Mädchen nur wenige Worte. Am Abend trifft sie das erste Mal auf die anderen Mädchen und taut sichtlich auf. Ein warmes Abendessen, vermutlich das erste seit Tagen, der Klang von Musik und eine Gruppe von jungen Frauen, die ähnliches erlebt haben wie sie selbst. Das erste Mal an diesem Tag wirkt sie, als käme sie zur Ruhe.

Isatu brachte Monate später ein gesundes Mädchen namens Aminata zur Welt. Glücklicherweise in einem Krankenhaus, begleitet von Fatmata, weil sie Teil unseres Projektes war. Danach zog sie mit ihrem Neugeborenen ins HOPE Shelter. Eine emotionale Zeit mit vielen Aufgaben: Der Aufbau einer Bindung zum Baby, das Verarbeiten der Ereignisse aus der Vergangenheit und das “Mamasein”. Mit gerade mal 14 Jahren. Nach mehreren Wochen im Hope Shelter waren beide wohlauf. Isatu gelang es, die traumatischen Ereignisse zu verarbeiten und eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Mehrere Gespräche mit ihrer leiblichen Familie ermöglichten es, dass sie Frieden mit ihrem Vater fand und die Familie sie wieder aufnahm. Ihre Mutter unterstützt bei der Betreuung der kleinen Aminata und Isatu besucht nun sogar wieder die weiterführende Schule. Wir begleiteten Isatu durch den gesamten Prozess des Traumas, der Schwangerschaft und des Gerichtsprozesses. Der Täter wurde gefunden und verurteilt. Ein Urteil mit Strahlkraft, das andere mahnt. Die Welt ist ein kleines Stückchen besser geworden.